Alkohol-Studien

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Wissenschaftlicher Ausgangspunkt für den Nachweis des Alkoholrisikos im Straßenverkehr ist die sogenannte Grand Rapids-Studie/ USA (Borkenstein et al., 1964; 1974). Im Rahmen dieser bis dahin umfangreichsten Arbeit wurde eindeutig festgestellt, dass Fahrer mit 0,6 Promille ein doppelt so hohes Unfallrisiko aufweisen wie Nüchterne. Bei 0,8 Promille ist das Unfallrisiko bereits viermal so hoch. Dieser nicht lineare, sondern deutlich überproportionale Anstieg setzt sich fort und somit ist das Unfallrisiko beispielsweise bei 1,5 Promille fünfundzwanzig Mal so hoch wie bei 0,0 Promille. Diese Ergebnisse gewannen die Forscher, indem sie die Alkoholisierungsgrade von 9.353 in Verkehrsunfälle verwickelten Fahrern in Grand Rapids im Bundesstaat Michigan/USA zwischen Juli 1962 und Juni 1963 analysierten. 17 % dieser Unfallgruppe, aber nur 11 % einer aus weiteren 8.000 Fahrern bestehenden Kontrollgruppe ohne Unfall waren alkoholisiert.

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Unfall-Risiko nach Promille

Krüger (1995) führte ein ähnliches roadside survey wie Borkenstein durch: In den Jahren 1992 bis 1994 haben sich in Thüringen und Unterfranken 21.000 Autofahrer von Untersuchungsteams der Universität Würzburg und Jena freiwillig auf Atemalkohol kontrollieren lassen. Bei mehr als 5.000 Unfällen wurde die Atemalkoholkonzentration aller Unfallbeteiligten untersucht. In folgender Grafik sind die nahezu identischen Ergebnisse beider Studien (Borkenstein und Krüger) dargestellt:

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Zur Darstellung des Unfallrisikos wurden die Quotienten folgendermaßen berechnet (Odds Ratio): Im ersten Schritt wurde festgestellt, bei wie vielen Fahrten ohne Unfall Fahrer angetroffen wurden, die alkoholisiert waren und wie hoch sie alkoholisiert waren in Relation zu nüchternen Fahrten. A+ ist der Anteil alkoholisierter Fahrer und A- der Anteil nüchterner Fahrer.

Gleiches wurde für die Stichprobe für die Stichprobe mit den Unfallenkern durchgeführt. U+ sind die alkoholisierten Fahrer mit Unfall und U- die nüchternen Fahrer mit Unfall.

Ist Alkohol verkehrsgefährdend findet man in der Unfallpopulation einen größeren Anteil Alkoholisierter. Diese Bruchrechnung (Odds Ratio) schätzt das relative Risiko ab, d. h. um ein wie vielfaches der Faktor Alkohol häufiger oder seltener in einer kritischen Population von Unfallfahrten vertreten ist als in der Vergleichspopulation unfallfreier Fahrten.


Alkohol-Unfallrisiko nach Alter

Bei Jüngeren Fahrern steigt das Unfallrisiko schon bei weniger Promille deutlich an, wie Krüger in seinem Roadside survey nachwies. Daher ist die in Österreich seit 1992 im Rahmen des Probeführerscheins gültige 0,1 Promille-Regelung sinnvoll. Siehe folgende Grafik und vor allem die darunter stehende Datentabelle:


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Weiters konnte Krüger nachweisen, dass obwohl ca. 85% der erwachsenen männlichen Bevölkerung am Wochenende Alkohol konsumieren, samstagnachts nur bei 10% der Fahrer Alkohol nachgewiesen werden konnte, was nach der Verkehrsdichte gewichtet einem Anteil von 5,48% entspricht. Nur 1% hatten das damals gültige gesetzliche Limit von 0,8 ‰ überschritten (gewichtet 0,55%). Auch in den folgenden Jahren, die durch die Diskussion um die zweistufige Einführung der 0,5‰-Grenze in Deutschland (zunächst ohne, dann mit Fahrverbot) in Deutschland in den Jahren 1998 und 2001 geprägt waren, zeigte sich eine weiterhin gute Regeltreue der Verkehrsteilnehmer mit einer absinkenden Tendenz der Alkohol bedingten Verkehrsunfälle (Vollrath & Krüger, 1999; Haas & Schulze, 2000). Dass sich eine konsequente Gesetzgebung positiv auch auf das Verkehrsverhalten von Fahranfängern auswirkt, zeigt die Entwicklung in Österreich, wo 1992 der Probeführerschein für Fahranfänger eingeführt und das gesetzliche Limit von damals 0,8 Promille auf 0,1 Promille innerhalb der zweijährigen Probezeit gesenkt wurde (§ 4 Abs. 7 FSG). Die Alkoholunfälle der Fahranfänger reduzierten sich in den folgenden fünf Jahren kontinuierlich um 30,9% (relativiert an der geringeren Anzahl neu ausgestellter Führerschein um 16,8%). Bei allen anderen Lenkern, für die damals weiterhin 0,8 Promille galt, zeigte sich kein kontinuierlicher Alkoholunfallrückgang (Bartl et al., 1997).


Dem gegenüber steht die massive überrepräsentierte Unfallbeteiligung der stark alkoholisierten Verkehrsteilnehmer. Der kleine Anteil von 1% der Verkehrsteilnehmer mit über 0,8 ‰ BAK war nach den Daten der Roadside-survey Studie in 23% der Unfälle verwickelt (Krüger, Vollrath, & Kazenwadel, 1995).

Es ist also nur eine kleine Minderheit, die nicht zu der geforderten Anpassungsleistung in der Lage ist. Und es ist eine für die Verkehrssicherheit höchst relevante Minderheit, bei der zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie wiederholt durch das Delikt der Trunkenheit im Verkehr auffällt (zur Rückfallwahrscheinlichkeit bei Alkoholauffälligen vgl. u.a. Stephan, 1984; Winkler & Jacobshagen, 1984; Maukisch, 1992; Schützenhöfer und Krainz, 1999; Maukisch, Kannheiser und Radwan, 2000).

Charakteristika Jung versus Alt

Bear (1993) fand in seiner Studie Unterschiede zwischen Charakteristika junger und älterer Kursteilnehmer. Grundsätzlich weist demnach Alkoholmissbrauch bei jungen Männern (bis 25 Jahre) auf eine andere Psychodynamik hin als bei älteren Männern (26 bis 55 Jahre):

• Ältere wiesen eine höhere durchschnittliche BAK zum Deliktszeitpunkt auf als Jüngere (1,77 Promille vs. 1,49 Promille)

• Ältere trinken eher am Stammtisch im Wirtshaus, Jüngere eher auf Festen und in der Disco

• Ältere beurteilten den Delikttag häufiger als „ganz gewöhnlichen Tag“, Jüngere assoziierten den Deliktstag eher mit „Freude und Hochstimmung“

• Bei Älteren finden sich im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum eher gesundheitliche, finanzielle, berufliche und familiäre Probleme. Bei Jüngeren hingegen eher Glücklichsein, Fröhlichkeit, aber auch Liebeskummer. Beide Altersgruppen nennen dabei aber am häufigsten, keine Probleme gehabt zu haben

• Ältere beginnen tageszeitlich schon früher zu trinken als Jüngere

• Ältere gaben häufiger „ungenaues Lenken“ als Fahrfehler an, Jüngere eher „zu schnelles Fahren“

• Ältere waren häufiger alleine unterwegs, Jüngere eher in Gruppen

• Die Fahrtstrecken der Deliktsfahrt sind bei Älteren kürzer als bei Jüngeren

• Bei Älteren dient der Alkoholkonsum insgesamt eher der Aufrechterhaltung der sozialen Rolle, bei Jüngeren eher dem Erfahren und Finden der eigenen sozialen Identität.


Beide Gruppen haben kaum Angst, einen Unfall in alkoholisiertem Zustand zu verursachen. Dies steht in krassem Widerspruch zur Wirklichkeit: Krüger (1995) fand, dass nur 1% der Fahrten mit mehr als 0,8 Promille zurückgelegt werden. Dieses eine Prozent ist jedoch an 23% aller Unfälle beteiligt. Die Angst vor einer Alkoholkontrolle ist höher als die Angst vor einem Verkehrsunfall.


Blickverhalten

Experiment im Labor

Wichtig dabei ist, dass Alkoholbeeinträchtigungen auftreten, ohne dass sie dem Fahrer selbst bewusst sind. In erster Linie ist das richtige Blickverhalten beeinträchtigt. Dazu gibt es zwei aussagekräftige experimentelle Studien:

Das Auge, jenes Sinnesorgan, welches beim Lenken eines Fahrzeugs den mit Abstand größten Informationsgehalt an das Gehirn weiterleitet (etwa 90%), ist für die Überprüfung von Wahrnehmungsbeeinträchtigungen aufgrund von durch Alkohol bedingten Einflüssen von vorrangigem Interesse. In Bezug auf relativ niedrige Alkoholmengen stellt sich die Frage, ist unser Auge schon „blau“, wenn wir uns noch gar nicht beeinträchtigt fühlen? Diese Fragestellung wurde mit einer alten Methode, aber mit neuester Technik objektiviert. Mittels Infrarot-Reflexionstechnik wurde selektiv die Augenmotorik erfasst. Die Ergebnisse wurden computergestützt ausgewertet. Kronsbein, Oehmichen & Köpf (1994) vom Institut für Rechtsmedizin und der Klinik für Neurologie der Medizinischen Universität zu Lübeck untersuchten an 12 gesunden Versuchspersonen im nüchternen Zustand sowie bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 g/kg (= ca. 0,5 Promille) und von 1,0 g/kg (= ca. 1,0 Promille) deren Blickbewegungen. Die Kontrolle der Blutalkoholkonzentration erfolgte mittels Atemalkoholmessung. Die Versuchspersonen wurden jeweils vier fotografischen Bildern mit komplexen Straßenverkehrsszenen exponiert. Die Reihenfolge der Bilder als auch die zugeordneten Blutalkoholkonzentrationen wurden jeweils durch Zufallsziehung festgelegt. Die Zeitspanne zwischen den Einzelversuchen betrug für jede Versuchsperson 5 Tage. Dadurch wurde gewährleistet, dass Lerneffekte gering waren. In keinem Fall konnten die als typisch angesehen „Überblicksbahnen“ festgestellt werden, die als Lerneffekt auftreten können.

Die Messung der Okulomotorik wird von den Autoren folgendermaßen beschrieben: Der Kopf wurde mit einer Kinn- und Stirnstütze fixiert. Die Pupillen und Ränder wurden mittels Oszilloskop dargestellt. Von der Cornea reflektierte Infrarotstrahlen trafen auf einen für normales Licht undurchlässigen Spiegel und gelangten durch spezielle Winkeleinstellung des Spiegels über ein Liniensystem auf eine integrierte Diodenreihe. Über ein Videosignal erfolgte sodann die Weiterleitung zu einem Mikroprozessor. Der Versuchsraum war gleichmäßig beleuchtet. Die Versuche wurden in der Zeit von 16.00-22.00 Uhr durchgeführt, um einem Circadianrhythmus (Schlaf-Wach-Rhythmus) angepasst zu sein.

Die Ergebnisse zeigten großteils statistisch signifikante Leistungsminderungen unter Alkohol: Die durchschnittliche Dauer der Sakkaden (Blicksprünge) nahm bei 0,5g/kg Blutalkoholkonzentration (BAK) um durchschnittlich 5%, bei 1,0 g/kg BAK um durchschnittlich 11,4% gegenüber dem Nüchtern-Versuchsdurchgang zu. Die Anzahl der Fixationspunkte nahm bei 0,5 g/kg BAK um 22% und bei 1,0 g/kg BAK um 28% ab. Gegengleich dazu nahm die Dauer der Fixationen pro Fixationspunkt bei 0,5 g/kg um 27%, bei 1,0 g/kg um 35% zu.

Weiters wurde die Frage geklärt, ob sich auch das Muster der Betrachtung der fotografischen Verkehrssituationen ändert. So wurde festgestellt, dass in nüchternem Zustand die Gefahrensituationen (z.B. seitlich auf die Fahrbahn tretende Fußgänger) bei allen Bildern innerhalb der ersten vier Sekunden mit dem Blick fixiert wurden. Mit zunehmender Alkoholisierung war nicht nur der Zeitpunkt der ersten Fixation von Gefahrensituationen verzögert, sondern die Gefahrensituation wurde immer wieder fixiert. Dieses veränderte Abtasten des Bildes unter Alkohol interpretieren die Autoren erstens als ein generell verzögertes Erkennen einer Gefahrensituation und zweitens als eine Verzögerung der intellektuellen Zuordnung der optischen Information. Das heißt, man erkennt zwar, wenn auch bereits etwas verspätet, die Gefahrensituation, verbraucht aber nahezu die gesamte vorgegebene Betrachtungszeit von 10 Sek. mit der optischen Analyse und dem intellektuellen Verstehen der Gefährlichkeit der Situation.


Experiment im fahrenden Auto

Von Bartl et al. (1998) wurde ein darauf aufbauendes Experiment im fahrenden Auto auf abgesperrtem Versuchsgelände durchgeführt. Im Fahrzeug war eine von Dornier in Berlin eigens entwickelte Blickbewegungskamera montiert, die in der Mittelkonsole versteckt war samt zweier Infrarotspots, die das Auge nach einer individuellen Kalibrierung für den Computer markierten. Weiters filmte eine Szenenkamera aus dem Fahrzeug hinaus. Die Bilder beider Kameras wurden übereinandergelegt und somit konnten die Blickbewegungen später am Film sichtbar gemacht werden.


30 nüchterne und 30 alkoholisierte (durchschnittlich 0,7 Promille mit Alkomat gemessen) vergleichbare Versuchspersonen absolvierten einen 15minütige Fahrt bei Dunkelheit zum Eingewöhnen mit einem beifahrendem Instruktor. Erst bei den letzten ca. 30 Sekunden wurden die Blickbewegungen gemessen. Dabei wurden für alle Testfahrer immer wieder die gleichen Verkehrssituationen von einem eingespielten Team nachgestellt: Fußgänger, Radfahrer (in sicherer Entfernung), andere Autos, Verkehrszeichen und vor allem ein Schaumstoffhindernis auf der Fahrbahn. Die mittels Computer erfassten sakkadischen Augenbewegungen reduzierten sich bei den alkoholisierten Lenkern um durchschnittlich 30%, es wurden nur halb so viele der gestellten Verkehrssituation erinnert, die Zeit vom ersten Blickkontakt mit dem Hindernis und der Einleitung einer Reaktion (Lenkern und / oder Bremsen) dauerte bei den Alkoholisierten um ca. 30% länger (durchschnittlich ca. 1 Sekunde nüchtern, ca. 1,3 Sekunden alkoholisiert) und beim Schaumstoffhindernis „verunfallten“ sogar 5 der Alkoholisierten, die Nüchternen blieben unfallfrei. Die Studienergebnisse stehen in Übereinstimmung mit obiger Blickbewegungsstudie mittels fotografischer Verkehrssituationen.

Reaktions-Testgerät

Mittels von Bukasa & Risser (1985) und Bukasa et al. (1990) für den Straßenverkehr validierter Testverfahren wurden die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen und die persönliche Risikobereitschaft bei 80 Probanden im vorher – nachher Vergleich experimentell untersucht. Zwischen Vorher (nüchtern) - und Nachherdurchgang (mit durchschnittlich 0,7 Promille alkoholisiert) lagen Monate, um Lerneffekte auszuschließen (Bartl, Lager & Domesle, 1996; Bartl & Kaba, 1998).

Die mittels Fragebogen erfasste Risikobereitschaft stieg um 80% Im Konzentrationsleistungstest traten Konzentrationsfehler (power) dreimal so häufig auf, wenngleich die Arbeitsgeschwindigkeit (speed) gleich blieb. In einem Konzentrationsleistungstest muss man selbst die optimale Balance zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit der Bearbeitung wählen. Die reaktive Dauerbelastbarkeit war signifikant verschlechtert (Mehrfachreaktionen auf Licht- und Tonsignale).

Ein weiteres kaum selbst bemerkbares Phänomen ist der so genannte Tunnelblick. Dieser reduziert die periphere Wahrnehmung. Die Folge ist eine unbewusste Tendenz zur Mitte. Daher sind Begegnungsunfälle bei Alkohollenkern überrepräsentiert (Gheri, 1994).


Sonstige Beeinträchtigungen

Der Pupillenreflex verlangsamt sich unter Alkohol, wodurch das Auge des Fahrers durch die Scheinwerfer des entgegenkommenden Fahrzeugs länger geblendet ist. Die Geschwindigkeitswahrnehmung ist gestört. Der Fahrer unterschätzt die eigene Geschwindigkeit, weil durch den Tunnelblick die optischen Reize in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug unschärfer werden und sowohl taktile als auch auditive Wahrnehmungen beeinträchtigt sind.


Gleichgewichtsschwankungen führen nicht nur zu einem schwankenden Gang, sondern auch zum typischen Fahren in Schlangenlinie. Die besondere Gefährlichkeit des Alkohols im Straßenverkehr kann in drei übergeordneten Faktoren zusammengefasst werden:


1. Die genannten Beeinträchtigungen treten nicht einzeln sondern immer zusammen auf.

2. Die meisten Beeinträchtigungen werden subjektiv nicht bemerkt, da sie sich während der Anflutungsphase erst allmählich einstellen. Bei intravenöser Verabreichung von Alkohol würden wir sofort den Unterschied merken können.

3. Selbstüberschätzung: Speziell in der als stimmungssteigernd erlebten Anflutungsphase fühlt man sich mitunter leistungsfähiger, in Wirklichkeit ist hingegen die objektive Leistungsfähigkeit vermindert.


Subjektive Täuschung

Diese Beeinträchtigungen sind für den Einzelnen unter Umständen aus dreierlei Gründen schwer erkennbar:

Erstens, wie oben schon unter Punkt Zwei angeschnitten, treten durch Alkoholkonsum verursachte Veränderungen nicht abrupt, sondern schleichend innerhalb von wenigen bis ca. 60 Minuten auf und sind daher für unsensible Personen nicht wahrnehmbar. In diesem Fall ist die Person schon tatsächlich leicht beeinträchtigt, fühlt es selber jedoch nicht. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Alkoholwirkung nicht schleichend, sondern plötzlich auftreten würde, wodurch der Unterschied für das Individuum klar erkennbar wäre. Aber selbst unter dieser Annahme käme es in der Folge zu einer allmählichen Adaptation innerhalb der nächsten Minuten. Das heißt, man gewöhnt sich an die Veränderung, so wie man sich an leichte Müdigkeit oder, um ein Beispiel aus einer anderen Sinnesmodalität zu wählen, an das geringfügige zurücknehmen der Lautstärke z.B. am Fernsehgerät allmählich gewöhnt. Der Unterschied würde erst auffallen, wenn plötzlich wieder die ursprüngliche Lautstärke hergestellt würde.


Zweitens reduziert Alkohol generell die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Es ist ohnedies schon schwer genug mit unseren Sinnesorganen objektive Aussagen über innere Zustände, wie den Grad momentaner Müdigkeit, Anspannung, Stress, Entspannung, Belastbarkeit, Reaktionsfähigkeit, Risikobereitschaft usw. zu treffen. Umso problematischer wird es, wenn diese ohnehin so unpräzise Fähigkeit durch Alkohol beeinträchtigt ist. Die Alkoholwirkung führt bekanntlich meistens dazu, dass man sich selbst leistungsfähiger fühlt als man tatsächlich im Moment ist. Erst objektive Testverfahren können diese Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und wirklicher Veränderung klarstellen.


Drittens ist ein Verkehrsunfall in der Wahrnehmung des einzelnen ein äußerst seltenes und von vielerlei Faktoren abhängiges Ereignis, so dass man verleitet ist, beispielsweise einen Verkehrsunfall unter Alkohol als Zufall, statt als alkoholkausal zu bezeichnen.

Diese drei genannten Wahrnehmungseinflüsse lassen es verständlich erscheinen, dass viele Menschen das Unfallrisiko im Zusammenhang mit Alkohol nicht auf sich beziehen. Selbst wenn man bereits alkoholisiert einen Unfall erleiden musste, bleiben genug Rechtfertigungen, um das Gefahrenpotential zu relativieren und somit das Falsche zu lernen. Denn immerhin bleiben die meisten Alkoholfahrten unfallfrei. Jedoch handelt es sich hier eben um ein Wahrnehmungsproblem des Einzelnen, der sich offensichtlich selbst belügt. Die Unfallforschung liefert hingegen Resultate auf der Basis einer objektiven Gesamtbetrachtung. Die Allgemeinheit hat aber das noch im Straßenverkehr akzeptierte Risiko mit 0,5 Promille festgelegt und von jedem einzelnen wird eine dementsprechende Anpassungsleistung and diese gesellschaftliche Risikoakzeptanz gefordert.